Wir sprachen am „Tag der Erfinder“ mit Halit Demir, Leiter Entwicklung und Standardisierung Sortiertechnik bei GEBHARDT über die Herausforderungen in seinem Job. Hier erzählt er, wie der Ablauf einer Produktentwicklung vonstattengeht und wann er gelernt hat, dass man eine Glühbirne nicht an eine 230 Volt-Steckdose anschließt. Lesen Sie im Folgenden die Antworten in der neuen Interviewreihe „Vier Fragen an…“:
Wie kann man sich einen normalen Arbeitstag in der Abteilung Entwicklung & Standardisierung für Sortiertechnik vorstellen – wie kommt ihr dazu, ein neues Produkt zu entwickeln? Gibt es Anregungen oder geht euch „ein Licht auf“?
Demir: Ich kann mir kaum eine andere Abteilung vorstellen, in der die Tätigkeiten vielfältiger sind als in der Produktentwicklung. Die Produktentwicklung setzt sich aus mehreren Phasen zusammen, die für eine ausreichende Abwechslung sorgen. Je nachdem, ob man sich in der Start-, in der Konzept- oder in der Umsetzungsphase befindet, entstehen unterschiedliche Tagesabläufe.
Zum Start eines Entwicklungsprojektes bekommen wir von der Geschäftsleitung die angeforderte Grundfunktion. Hierzu wird gemeinsam mit der Geschäftsleitung ein Lastenheft erstellt, welches die Basis-Anforderungen enthält. Im Anschluss wird unter anderem der Stand der Technik untersucht, das heißt, wir recherchieren im Internet, in Patenten und der Literatur nach Produkten, welche es in der Branche bereits gibt. Gleichzeitig wird intern der Vertrieb befragt, um weitere Anforderungen aus Kundensicht gewinnen zu können. Daneben werden alle internen Restriktionen wie zum Beispiel bereits vorhandene Schnittstellen, Komponenten und Fertigungsmöglichkeiten beachtet. Schließlich entsteht unsere Anforderungsliste für das gesamte Produkt, mit der dann die kreative Phase beginnen kann.
In der Konzeptphase wird gemeinsam im Team die Funktion in Teilfunktionen zerlegt und wir sammeln zunächst in mehreren Brainstormings Ideen für die Konzepte. Hier kann jeder sagen, was ihm einfällt, auch Ideen, welche auf den ersten Blick nicht realistisch erscheinen oder wenig Sinn machen. Es ist die Phase, in der uns am meisten „ein Licht aufgeht“. Es entstehen meistens Hunderte von innovativen Ideen, welche im Anschluss gemeinsam bewertet werden. Am Ende findet die Entscheidung für die Teilkonzepte statt, aus welchen das Gesamtkonzept zusammengestellt wird.
In der Umsetzungsphase werden die Teilkonzepte im selben Team verteilt und im 3D-CAD-System konstruiert. Dabei hängt es von der Komplexität des Produktes ab, ob der Entwickler das gesamte Produkt oder nur die Module / Baugruppen davon umsetzt. Der Entwickler muss nun weiterhin seine Kreativität kombiniert mit seinem Ingenieurswissen und seiner Erfahrung einsetzen und befindet sich ganz in seinem Element. Es ist gleichzeitig für den Erfinder eine sehr spannende Phase, da nun aus den Konzepten Bauteile bzw. Produkte entstehen, die seine Handschrift tragen. Dabei findet auch das Teamwork weiterhin intensiv statt, da sowohl mit den Teamkollegen als auch mit anderen Abteilungen, wie zum Beispiel der Produktion, die Schnittstellen und Ergebnisse ständig abgesprochen werden müssen.
Nachdem das 3D-Modell entstanden ist, erstellen die Entwickler gemeinsam mit den Produktdesignern die Fertigungs- und Montagezeichnungen. Im Anschluss wird ein Prototyp in die Produktion gegeben. Dabei wird die Produktion von den Entwicklern kontinuierlich begleitet, um weitere Optimierungsmöglichkeiten für die nächste Änderungsphase zu dokumentieren. Nachdem der Prototyp aufgebaut wurde, werden alle zuvor geplanten Versuche durchgeführt und dokumentiert. Es ist die Phase, in der die Erfolgserlebnisse für die Erfinder stattfinden, manchmal aber auch Niederlagen und somit weitere Herausforderungen entstehen.
Sobald die Versuche erfolgreich abgeschlossen sind, wird das Produkt standardisiert und für den Verkauf freigegeben. Der Erfinder begleitet nun „sein“ Produkt während des gesamten Lebenszyklus.
Was versteht man unter Standardisierung für Sortiertechnik? Möchten wir nicht, dass unsere Produkte einzigartig bleiben?
Demir: Die Kunst bei der Standardisierung ist es, die steigende Kundenindividualität durch standardisierte und modularisierte Lösungen wirtschaftlich abdecken zu können.
Die Standardisierung im Bereich der Sortiertechnik muss auf mehreren Ebenen betrachtet werden:
In der obersten Ebene befindet sich die gesamte Sortieranlage, welche aus mehreren standardisierten Varianten an Produktmodulen zusammengesetzt werden kann. Somit wird der Aufwand, jede kundenindividuelle Anlage komplett neu zu konstruieren, enorm reduziert. Die Reduzierung des Aufwands betrifft auch nachgelagerte Prozesse wie zum Beispiel die Dokumentation, E-Planung und Risikobeurteilung.
In der mittleren Ebene befinden sich die Varianten an Produktmodulen, welche wiederum möglichst aus standardisierten Komponenten bzw. Baugruppenmodulen aus der untersten Ebene zusammengesetzt werden können. Der Einsatz von gleichen Teilen wird somit erhöht und in mehreren Bereichen können die Kosten enorm reduziert werden.
Für eine erfolgreiche Standardisierung muss der Entwickler von Anfang an seine Produktstruktur dementsprechend modular aufbauen und für die Module entsprechende Baukastensysteme entwickeln.
Welchen Stellenwert haben neue Entwicklungen für das Unternehmen und was kann während einer Entwicklungszeit alles schieflaufen?
Demir: Die Wichtigkeit von neuen Entwicklungen schätze ich sehr hoch ein. Damit wir wettbewerbsfähig bleiben, müssen wir die steigende Nachfrage nach höherer Leistung, höherer Zuverlässigkeit, kürzeren Lieferzeiten und besserer Wirtschaftlichkeit kontinuierlich bedienen können. Für das Wachstum des Unternehmens muss außerdem die Produktpalette ständig dem Markt angepasst und erweitert werden. Dazu ist es erforderlich, durchgehend Produkte neu zu entwickeln oder die vorhandenen Produkte zu optimieren.
Während der Entwicklungszeit kann nicht alles wie geplant laufen. In allen Phasen kann es vorkommen, dass man wieder ein paar Schritte zurückgehen und einen alternativen Weg einschlagen muss. Das kann zum Beispiel passieren, wenn das ausgewählte Konzept doch nicht umsetzbar ist, die Versuche an den Prototypen keine positiven Ergebnisse liefern oder auch wenn einer der Erfinder in den späteren Phasen plötzlich eine bessere Idee hat. Das gehört bei einer Neuentwicklung einfach mit dazu.
Wann war für Dich klar, dass Du ein Erfinder sein möchtest und warum? Was weißt Du an Deiner täglichen Arbeit am meisten zu schätzen?
Demir: Ich war schon in meiner Kindheit von der Technik begeistert. Dabei war es nicht nur der Maschinenbau, sondern auch die Elektrotechnik und die Programmierung. Schon in meinen jungen Jahren baute ich mein eigenes Radio aus alten Bauteilen zusammen, programmierte mit meinem Commodore-PC in Basic ein Techniklexikon oder baute mein ferngesteuertes Auto um. Ich experimentierte auch sehr gerne, schloss zum Beispiel die Glühbirne von meinem Fahrrad an die 230 Volt-Steckdose an und kam schnell zu dem Ergebnis, dass man das nicht machen sollte. 😊
Bereits damals war für mich klar, dass ich Ingenieur werden will, und das setzte ich auch so um. Meine Interessen lenkten mich nach dem Studium bereits in meinem ersten Job direkt in die Entwicklungsabteilung. Plötzlich hatte ich die modernsten Werkzeuge, sehr erfahrene Ingenieure und moderne Fertigungsanlagen. In dieser Zeit durfte und konnte ich viel ausprobieren, lernen und die ersten Prototypen realisieren. Und genau das schätze ich an meiner Arbeit, ich habe jeden Tag die Möglichkeit, mit einer modernen Ausstattung und dem kompetenten Umfeld neue Ideen zu generieren und diese umzusetzen und mich am Ende mit dem Ergebnis zu identifizieren. Und für diesen Spaß werde ich auch noch bezahlt! 😊