Das Lager der Zukunft

Wie bewältigen Unternehmen das Spannungsfeld zwischen steigenden Durchsatzzahlen, hoher Produktvarianz und Bestrebungen um mehr Nachhaltigkeit? Wie wirken sich die globalen Trends auf die Nachfrage nach Intralogistik-Lösungen aus – und wo stößt die Automatisierung noch an Grenzen? Ein praktischer Trendreport.

Fest steht: Der Automatisierungs-Boom in der Intralogistik ist ungebrochen. Um die steigenden Durchsatzzahlen zu bewältigen, ist leistungsstarke Förder- und Lagertechnik gefragter denn je. Dazu wird insbesondere im EU-Ausland viel Hochleistungsdistributionsarbeit geleistet, deshalb erfreuen sich hier Sorter wie der GEBHARDT SpeedSorter® aktuell großer Beliebtheit.

Lagerdichte als Antwort auf volatile Lieferketten

Galten in den letzten 20 Jahren schlanke Bestände und Just-in-time als das Nonplusultra der Intralogistik, schwingt das Pendel nach den jüngsten Turbulenzen auf den Weltmärkten auf die andere Seite. „Ein zu 100 Prozent optimiertes System lässt keinen Raum für Fehler, da Ausgleichspuffer fehlen“, betont Tobias Vetter, Teamleiter Systemkonzepte bei GEBHARDT. In Zeiten volatiler Lieferketten investieren Unternehmen daher verstärkt in ihre Lagerkapazität, um auch in Zeiten von Engpässen die Verfügbarkeit von Waren und Komponenten sicherzustellen.

Dem Bedarf nach einem Pufferbestand im Lager sind jedoch räumliche Grenzen gesetzt – vor allem in den urbanen Gebieten Europas. In diesem Zusammenhang beobachtet GEBHARDT insbesondere in Europa die Nachfrage nach hohen und auch kompakten Lagern mit einer hohen Dichte. Der Großteil der Hochregallager wird inzwischen doppeltief ausgeführt, auch bei Behälterlagern hat sich inzwischen die Mehrfachtiefe etabliert.

Die Vielfalt im Lager bewältigen

Die Konsumgewohnheiten wirken sich unmittelbar auf die Lagerarchitektur aus. Heutzutage bestellen immer mehr Verbraucher:innen spontan einzelne, völlig unterschiedliche Waren – erwarten aber dennoch eine Same Day Delivery, bei der die einzelnen Waren idealerweise in einem Karton gebündelt sind. Diese Erwartungshaltung pflanzt sich auch in die B2B-Welt fort. „Teilweise nehmen Industriehändler eine Stunde vor Ladenschluss noch Eilaufträge an“, berichtet Tobias Vetter.

Eine heterogene Artikelstruktur, gepaart mit immer geringeren Losgrößen, erfordert eine immer größere Vielfalt an Lagerarten und Lagermitteln: Nachschublager, hochdynamische Shuttlelager, teilweise aber auch manuelle Lager oder andere Elemente wie Taschensorter. Zudem werden die Lebenszyklen der einzelnen Artikel immer kürzer. Dies erhöht den Bedarf nach Unstetigförderern wie fahrerlosen Transportsystemen mit fortschrittlicher Orientierungslogik um flexibel auf dynamische Anforderungen zu reagieren.

Mit der Komplexität der Lagersysteme steigt auch der Beratungsbedarf. Reicht für eine bestimmte Applikation ein Fördertechnik-Strang, oder sind zwei Loops erforderlich? Muss die Fördertechnik um einen Sorter ergänzt werden? „In der Regel liegt der Fokus unserer Kunden nicht auf einzelnen Komponenten, sondern auf Gesamtsystemen – auf Lösungen für ihre individuelle Herausforderung“, erklärt Tobias Vetter. „Unser breites Lösungsportfolio und unsere langjährige Erfahrung in Vertrieb und Technik erleichtern es uns, die Probleme unserer Kunden zu verstehen und daraus den richtigen Mix an Lösungen abzuleiten.“

Datenqualität als Automatisierungsbremse

Ein Wermutstropfen der hohen Varianz: Je vielfältiger die Artikelstruktur, desto aufwändiger wird es, die Artikelstammdaten regelmäßig und angemessen zu pflegen. Die Erfassung der Artikelparameter erfolgt in den meisten Fällen noch manuell in seltenen Fällen an Scantischen. „Für große Händler gehören gepflegte Stammdaten zum Geschäftsalltag, doch insbesondere der Industrie-Mittelstand hat hier noch Aufholbedarf“, erklärt Tobias Vetter. Denn das Erfassen von Artikeln mit einer komplexen Geometrie – beispielsweise von Zahnrädern mit Wellen – ist bis heute nicht trivial. Dabei steht und fällt die Automatisierung, beispielsweise in der Verpackung oder Zollabfertigung, mit einer qualitativ einwandfreien Datenbasis. So wird der Einsatz automatisierter Systeme wie beispielsweise Bin-Picking-Roboter durch exakte und aktuelle Daten zu den Produkteigenschaften erleichtert, um die Waren sinnvoll greifen zu können.

Langfristig könnte hier Künstliche Intelligenz Abhilfe schaffen, doch insbesondere im europäischen Raum muss ihr Potenzial mit Cybersicherheit in Einklang gebracht werden. Einige KI- und Automatisierungsspezialisten erfassen Artikeldaten auf Cloudservern, damit Roboter auf der ganzen Welt sie für das Machine Learning heranziehen können. Dieses Szenario wirft einige Fragen auf: In welchem Land befinden sich diese Server – und was bedeutet dies für den Datenschutz und die Datenhoheit?

Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachten

Hinter dem griffigen Begriff „Nachhaltigkeit“ verbirgt sich ein hochkomplexes Zusammenspiel zwischen Energieeffizienz, Materialverbrauch, Kreislauffähigkeit und Praxistauglichkeit. Manche Nachhaltigkeitsmaßnahmen ziehen unerwartete Effekte an anderen Stellen des Systems nach sich – beispielsweise kann es zu einem Nagetierproblem im Lager kommen, wenn in der Verpackung Styroporkugeln durch Maisflocken ersetzt werden.

Ein anderes Beispiel ist die Debatte um Polybags versus Kartonverpackungen. In der Öffentlichkeit gilt der Karton als nachhaltige Alternative – auch wenn der Wasserverbrauch für die Herstellung nicht zu vernachlässigen ist. Viele Verpackungshersteller bemühen sich, die Menge des eingesetzten Materials durch alternative Geometrien zu minimieren. Insbesondere bei Kartonagen kann die Formfestigkeit darunter leiden, wenn der Boden zu dünn wird oder mit Feuchtigkeit in Berührung kommt. Solche Kartonagen stellen die Fördertechnik vor Herausforderungen. Oftmals ist die Materialeinsparung auch nur kosmetischer Natur, wenn beispielsweise Normkartons per Volumenreduzierung an die Größe des Inhalts angepasst werden.

Mit den steigenden Energiepreisen rückt auch das Thema Energieoptimierung stärker in den Fokus. In der Intralogistik bieten innovative Antriebslösungen für Heber und Lifte mit Energie-Rekuperation reale Einsparpotenziale. Außerdem arbeitet GEBHARDT aktuell an Lösungen, um Anlagen schnell und sicher in einen energiesparenden Deep-Sleep-Zustand versetzen zu können.

Mensch und Maschine: Symbiose statt Konkurrenz

„Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, ist der Faktor Mensch nicht zu vernachlässigen“, betont Tobias Vetter. „Zur Nachhaltigkeit gehört für uns auch selbstverständlich, Arbeitsplätze nach ergonomischen Standards zu gestalten und Arbeitsplätze im Inland zu sichern.“

Doch wie wirkt sich der Innovationsschub in der Automatisierung und Künstlichen Intelligenz auf die Karriereperspektiven der Menschen aus? Für viele Unternehmen ist der Fachkräftemangel die treibende Kraft hinter der Automatisierung. In strukturschwachen Regionen kann die Automatisierung die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sichern – und damit wiederum Arbeitsplätze. In der Anlagenbedienung, der Wartung und Verwaltung werden menschliche Fachkräfte nicht wegzudenken sein, nur um einige wenige Bereiche zu nennen. Hinzu kommt: Nicht nur die kognitiven, sondern auch die physischen Fähigkeiten der Menschen lassen sich maschinell nur schwierig reproduzieren. „Es ist der Wissenschaft bis heute nicht gelungen, die Motorik und Sensorik der menschlichen Hand exakt nachzubilden“, betont Tobias Vetter. Selbst in Bereichen mit einem hohen Automatisierungsgrad, beispielsweise in der Palettierung, ist dieses menschliche Geschick von großem Vorteil – gerade im Umgang mit komplexen Geometrien und inhomogenen Produktspektren.

Potenziale bietet die vollständige Automatisierung tendenziell in Systemen mit einem überschaubaren Spektrum an heterogenen Artikeln, die zudem für Roboter einfach zu picken sein müssen. Solche Microfulfillment-Zentren im urbanen Raum würden auch das Problem der letzten Meile adressieren. Kurzum: Das vollautomatisierte Dark Warehouse ohne menschliche Mitarbeitende ist zum einen angesichts der Komplexität nicht flächendeckend umsetzbar, zum anderen ist es längst nicht für jeden Bereich sinnvoll oder erstrebenswert.

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